Seit ich einen älteren Hund aus dem Tierschutz adoptiert habe und es mich jeden Tag so glücklich gemacht hat, diesen Hund glücklich zu sehen, hatte ich den Traum, genau solchen Hunden als Pflegestelle zu helfen. Die, die im Tierheim nicht auffallen, oder es einfach schwer haben, weil sie den Standardkriterien der meisten Adoptanten nicht entsprechen: Schwarz, älter, groß, Langzeit-Insasse (da vermuten viele Probleme, die es gar nicht geben muss). Aber könnte ich Pflegestelle sein? Ich war schon immer voller Bewunderung für die, die es getan haben, und habe zu ihnen genau dasselbe gesagt, was ich später als Pflegestelle selber von Jedem hören würde: „Es ist so toll was du machst, aber ich könnte das nicht, ich könnte niemals abgeben, ich würde sie alle behalten.“ Als ob es Menschen gibt, für die es leicht ist. Es ist schwer abzugeben, für jeden. Für mich war irgendwann aber die Vorstellung, dass diese Hunde im Tierheim ewig festsitzen, sich aufgeben, sogar dort sterben viel unerträglicher als die erwartete Trennungsschmerz vom Pflegehund.
Also kam Puttony zu uns, ein Hund, der als Welpe in Ungarn vermittelt war und gut behütet bei einem älteren Mann gelebt hat. Bis er fast 9 Jahre alt war, dann verstarb Puttonys Herrchen und er kam zurück ins Tierheim, mitten im Winter, völlig überfordert von Unruhe, Kälte und Abwesenheit einer Vertrauensperson. Als schwarzer, älterer, nicht so kleiner Hund war klar: Ohne uns hat er ganz schlechte Chancen.
Als wir ihn um 5 Uhr morgens auf einer Autobahnraststätte in Empfang genommen, hat er uns kaum angeschaut, wollte nichts von unserem gekochten Hühnerbrust (in bester Bioqualität wohl bemerkt!!) haben, kein Wasser trinken. Er hat sich nur schnell gelöst und widerstandslos ins Auto tragen lassen. Die ca 1h Fahrt nach Hause haben wir nichts von ihm gehört, es war totenstill hinten in der Hundebox. Er war fix und fertig.
Zuhause angekommen wird es erst einmal spannend wenn man selber Hunde hat. Wie werden sie sich verstehen? Gibt es womöglich Streit? Sicherheitshalber fand die erste Begegnung auf der Straße statt, nicht im Territorium der eigenen Hunde. Entwarnung! Tierheimhunde, insbesondere aus dem Ausland, sind oft sehr gut sozialisiert, weil sie auf der Strasse und im Tierheim sogar auf engem Raum lernen wie man Konflikte ohne menschliches Einmischen friedlich löst.
Im Laufe des ersten Tages wurde ein Paar Mal geknurrt, um den Neuen zu zeigen, dass das Sofa schon den vorhandenen Hunden gehört, aber der kleine Puttony ging jeden Konflikt aus dem Weg und suchte sich erst Mal einfach ein Bett ein bisschen weg vom Trubel des restlichen Rudels aus.
Als wir Puttony nach Ankunft etwas näher begutachten konnten haben wir gesehen, dass der Stress nicht spurlos an ihn vorbeigegangen ist, sein Fell war schuppig und ein Auge ziemlich verklebt. Da er auch ziemlich gemüffelt hat, beschlossen wir, ihm eine Dusche zu verpassen in der Hoffnung, dass das Shampoo, was rückfettend sein sollte, auch bei den Schuppen helfen würde. Der verunsicherte und von der langen Fahrt total erschöpfte Puttony ließ sich lammfromm ins Bad bringen und stand einfach seelenruhig da als wir ihn gewaschen haben. Schon da war uns klar: Er ist ein ganz besonderer!
Da wir nicht wussten ob er zuverlässig stubenrein war, sind wir an dem Tag sehr oft rausgegangen. Allerdings hat Puttony weder im Haus noch auf Spaziergang Geschäfte gemacht. Ohje! So wurde die Nachtrunde um 22 Uhr zur Zitterpartie, hatte er doch seit Ankunft auf dem Parkplatz um 5 Uhr morgens nichts gemacht. Wir befürchteten, der Hund wird irgendwann explodieren! Trotz extra „Ehrenrunde“ mussten wir aufgeben, er wollte keine Geschäfte verrichten und wir bereiteten uns mental darauf vor, morgens aufzuwischen. Aber er hat eisern durchgehalten und auf der Morgenrunde zu unserer großen Begeisterung genau zwei Mal was produziert, einen riesen Haufen und gefühlt literweise Flüssigkeit kam aus dem kleinen Mann raus. Der Knoten war geplatzt!
Da er so lieb, lustig und unkompliziert war, müsste es doch ein leichtes sein für ihn ein neues Zuhause zu finden. Dachten wir. Er hatte auch Interessenten und war sogar zwei Mal abgereist, unter Tränen und Herzschmerz seines Pflegefrauchens. Doch er kam jedes Mal zurück. Nicht weil er etwas falsch gemacht hat, die Menschen passten erst nicht zu ihm und die zweiten wollten ihn nach 3 Wochen nicht mehr. So war er am Ende wieder etwas geknickt, mit schuppigem Fell, 1 Kilo leichter, erschöpft und ohne Kondition. Wir haben ihn jedes Mal wieder aufgenommen, aufgebaut und dann stand fest: Er will bei uns bleiben und wir wollen ihn nicht mehr gehen lassen. Seitdem ist unser Leben etwas schwieriger zu organisieren, aber auch so viel reicher an Glück, Liebe und nassen Küsse!
Pflegestelle sein ist eine ganz wichtige Aufgabe, ohne dieses Sprungbrett würden viele Hunde nie aus dem Tierheim kommen
Abgeben und loslassen ist schwer, aber möglich
Manchmal zeigt einem das Leben welcher Hund zu einem gehört